Liste an Winterstürmen in Mitteleuropa (ab 1990)

Orkan SABINE ist am Montag abgezogen, Sturm TOMRIS steht bereits vor der Tür, kommt aber weit nicht heran an die Spitzenböen von SABINE (155 km/h in Fürstenzell bei Passau). Die naheliegende Frage ist, wann es zuletzt so flächendeckenden Sturm gab. Eine schöne Auflistung der Spitzenböen bei Sturm- und Orkantiefs auf Bergstationen gibt es bereits auf dem geschätzten Blog vom Fichtelbergwetter. Meine persönliche Erinnerungsliste, ergänzt um folgende Anmerkungen:

(K): Kommatief (durchwegs in Höhenkaltluft entstanden, auf der kalten Seite des Jetstreams, von Wetterpate oft unbenannt)

Beispiel 1: Lothar Successor am 26. und 27.12.1999

Vom Deutschen Wetterdienst damals irreführenderweise als Troglinie bezeichnet, tatsächlich, wie die Analyse mit Satellitenbilder zeigt, ein voll entwickeltes Sturmtief, das klar auf der kalten Seite des Jetstreams entstand. Die nachfolgende Welle verstärkte sich zu Orkantief MARTIN.

Beispiel 2: Sabine Successor am 10. und 11.02.2020

Die Überlagerung des Satellitenbilds mit dem Jetstream in 300 hPa und der eingezeichneten Jetachse bestätigt ebenfalls, dass es sich um eine Kaltluftentwicklung gehandelt hat. Das Frontensystem bildete eine ausgeprägtere Kaltfront aus, um 03 UTC kurzzeitig einen abgeschlossenen Tiefkern über dem Norden Polens. Der Sturm fiel im Flachland deutlich schwächer als SABINE aus, brachte aber in der Schweiz am Guetsch ob Andermatt (2283m) sogar 202 km/h hervor, mehr als bei SABINE.

(SKZ): Shapiro-Keyser-Zyklone (das Gegenstück zur Norwegerzyklone, kein klassischer Okklusionsprozess, Warmfront stärker als Kaltfront, charakteristische Lücke zwischen Kaltfront und Warmfront, doppelter Jet (Bodentief unterhalb von left exit und right entrance region gleichzeitig), häufig aus einer barotropen Welle/Ex-Hurrikan), ausführlichere Erklärungen siehe Menü Sturmtiefs.

(G): Orkantief mit großem Sturmfeld, großer Umfang des Systems, viele Länder betroffen

(k): Orkantief mit kleinerem Sturmfeld, Schnellläufer, Randtief

Es bleiben zwei Stürme übrig, die hier der Vollständigkeit wegen aufgezählt wurden.

Sturmtief PAULA – der verheerende Orkan über der südlichen Steiermark und Unterkärnten wurde nach dem Zentraltief benannt, das zu dem Zeitpunkt schon über Russland lag. Tatsächlich brachte eine offene Welle (Randtief ohne abgeschlossenen Kern im Bodendruckfeld) den Orkan, aber nur deswegen, weil davor bodennah extrem trockene Luftmassen vorherrschten und die Verdunstungskälte in Kombination mit dem Föhn wirksam wurden. Am Schneeberg wurden 230 km/h gemessen).

Tief VAIA war ein heftiger Südföhnsturm, der entlang der Südalpen Orkanböen bis 200 km/h hervorbrachte, dabei war höchstwahrscheinlich auch eine Art Sting Jet beteiligt, wie sie normal nur bei Shapiro-Keyser-Zyklonen auftreten.

  • NIKLAS (2015) und XAVER (2013) hab ich vollkommen aus meiner Erinnerung verdrängt.
  • CHRISTIAN (2013) brachte schwere Orkanböen an der Nordseeküste.
  • JOACHIM (2011) war ein klassisches Shapiro-Keyser-Tief mit unterbrochener Kaltfront, an der Schauerstaffeln nahezu strömungsparallel ostwärts zogen. Der Sturm fiel insgesamt etwas schwächer aus als erwartet.
  • XYNTHIA (2010) fiel mit schweren Sturmböen aus Stratocumulus-Bewölkung über den Vogesen und Südwestdeutschland auf, das erste Mal, dass ich einen Sting Jet anhand der Messdaten beobachten konnte.
  • JORIS (2009) ist mir nicht sonderlich in Erinnerung, eher KLAUS der zeitgleich von der Biskaya über Frankreich ins Mittelmeer zog. Ungewöhnliche Zugbahn, Spitzenböen über 200 km/h und insgesamt 32 Tote.
  • JEANETT (2002) war das erste große Orkantief seit LOTHAR und brachte deutschlandweit Schäden. Am Vortag hatte ich mein erstes Treffen mit zwei weiteren Hobbymeteorologen überhaupt in Würzburg.
  • Von Ex-KYLE (2002) kann ich mich noch genau an die Kaltfront und nachfolgende Troglinie erinnern, beides linienförmige Schauer- und Gewitterniederschläge, jeweils mit örtlich orkanartigen Sturmböen.
  • MARTIN (1999) war das südlicher ziehende Orkantief nach LOTHAR, das vor allem Frankreich und den Alpenraum betraf.
  • ANATOL (1999) beeinflusste vor allem Norddeutschland.
  • Das Gespann aus WIEBKE und VIVIAN (1990) rasierte ganze Wälder in den deutschen Mittelgebirgen kahl, darunter auch in meiner Heimatregion in Mainfranken.

Vorerst ohne genauere Verifikation bleibt der Umstand, dass die letzten Jahre vermehrt Shapiro-Keyser-Zyklonen aufgetreten sind. Diese können (CHRISTIAN 2013, XAVIER 2017, FRIEDERIKE 2018), müssen aber nicht (JOACHIM 2011, XYNTHIA 2010) schwere Orkanböen in Bodennähe verursachen, durch das beinhaltete Sting-Jet-Phänomen.